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von Rupert Lienert

Der Kirchenbau zu Wiechs steht in der Tradition der Familien Dientzenhofer und Millauer, die Baumeister und Maurer vom Gundelsberg und von der Hausstatt im heutigen Bad Feilnbach, die künstlerisch vernetzt vorrangig nach Böhmen zum Inbegriff der böhmischen Kunst wurden.

Wiechs besaß seit langer Zeit eine Kirche, wahrscheinlich war sie im Mittelalter aus Holz, im Laufe der Jahrhunderte wurde sie immer wieder erneuert und modernisiert. Die heutige Kirche in Wiechs ist ein Werk des letzten Hausstätter Baumeisters Hans Thaller, der 1754 mit dem Umbau der Kirche begann. Er sollte die frühgotische Kirche im Stile der Zeit, nämlich des Rokoko umbauen. Der ursprüngliche Bau, eine Holzkirche, wurde 1751 abgebrochen.

Der Kirchenbau von Wiechs steht in enger Beziehung mit der Errichtung der Kirche in Berbling. Beide Kirchen sind nahezu gleichzeitig entstanden. Die Entstehung der Kirche von Wiechs ist ohne den Kirchenbau von Berbling kaum denkbar.  Als Baumeister war dort der Hausstätter Abraham Millauer (1683 – 1758) zugange, der zuvor die Schlösser in Neubeuern und Urfahr, Kloster und Kirche Reisach, aber auch die Kirchen in Au, Flintsbach, Kössen, Litzldorf, Ebbs, Schleching, Kleinholzhausen und Schwarzlack errichtet hatte. Gleichzeitig mit Berbling wird auch Abrahams Sohn Philipp Millauer in Verbindung gebracht, der aber bereits während der Bauzeit 1753 im Alter von 43 Jahren verstarb. Bekannt sind dessen Arbeiten in Schwarzlack, sowie die Schlosskapelle in Neubeuern.

Die Arbeiten in Berbling führte nun Hans Thaller bis 1756 fort. Er hatte die Witwe von Philipp Millauer geheiratet und dessen Meistergerechtigkeit übernommen. Das Projekt in Berbling nahm jedoch ein abruptes Ende, die Kirche wurde nicht fertig gebaut. Abraham Millauer, der in Berbling die Bauleitung inne hatte, beauftragte Hans Thaller mit der Fortführung des Baus in Wiechs. Dieser betrieb seine Arbeit mit so viel Liebe und Können, dass der ursprüngliche gotische Stil nicht mehr erkennbar ist. So entstand zwischen den Bauernhöfen und den ausgedehnten Obstgärten eine Rokokokirche von größtem Liebreiz. Die Heiterkeit dieses kleinen Gotteshauses zeigt sich schon von Weitem an der gekröpften Zwiebelhaube.

Es enstand ein klassisches Langhaus als Saalraum mit zurückhaltenden Wandpfeilern. Gleichzeitig finden wir hier die für den Aiblinger Raum typische Abfolge von Kuppelräumen, die mit Gurtbögen voneinander getrennt sind. Hans Thaller vergrößerte die Kirche nach Westen. Den eigentlichen Kirchenraum schloss er mit drei ovalen Wölbungen nach oben ab; der etwas schmalere Altarraum erhielt ein flaches Kuppelgewölbe mit dreiseitigem Abschluss nach außen.

In Wiechs konnte das in Berbling gestrandete Künstlerteam eingesetzt werden.

Hans Thaller, der engste Kontakte zu den Brüdern Johann Baptist und Domenikus Zimmermann pflegte, gewann für Wiechs Johann Martin P(B)ichler aus Erding. Dieser gehörte zu den engsten Mitarbeitern von Johann Baptist Zimmermann, der gerade in Nymphenburg den Stuck und die Fresken im Steinernen Saal des Nymphenburger Schlosses fertigte.

Ganz in der Wessobrunner Tradition der Brüder Zimmermann versuchte Johann Martin Pichler den gesamten Raum mit Stuck zu gestalten, ihn zu dekorieren, mehr noch, ihn in gewisser Weise aufzulösen und den Übergang zwischen den Altären und der Architektur fließend zu machen. Der Stuckateur Johann Martin Pichler erwies sich als Könner, der mit viel Liebe zum Detail mit neuen Formen, Wände, Decken und Altäre schuf. Am besten gelingt ihm die Verschmelzung von Ausstattung und Architektur an den aus Stuck errichteten Seitenaltären  und an der Kanzel. Die in ihrer Konstruktion und Ausgestaltung auffallenden Seitenaltäre haben Seltenheitswert. Sie  sind in einem flachen Halbrund in die Wand gesetzt und haben zwei Säulen und wie Gardinen geraffte Baldachine aus feinstem Stuck, von der Altarmensa hinauf zur Gipfelverzierung. Es ist eine meisterliche Arbeit. Die Baldachine wirken wie feinstes Gespinst. 

Sinnbildlich wird im Kirchenraum damit der Übergang vom Irdischen ins Himmlische gestaltet, mit vielen geistreichen Symbolen und illustrationsreichen stuckierten Emblemen, die die Wiechser Kirche besonders auszeichnen. Ähnlich  wie die Kirche in Berbling wurde aber auch die Kirche in Wiechs nie ganz fertig.    

Der Hochaltar ist eigentlich ein Relikt der vorangegangenen Stilepoche, stammt im Kern noch aus dem 17. Jahrhundert und wurde nur ergänzt und mit einem Stuckbaldachin überbaut. So hat der Hochaltar nicht die Qualität der Seitenaltäre. Der Altartisch und der große zartblaue Stuckbaldachin, der von zwei Engeln auseinander gehalten wird, lassen diesen Schluss zu. Der hölzerne Altaraufbau will nicht so recht stimmen im Vergleich zu den Seitenaltären. Vielleicht ist damals das Geld ausgegangen, vielleicht ist der Stuckateur zu einem größeren Bau abgezogen worden, man weiß es nicht.

Vermutlich hatte der ab 1757 ausgebrochene Siebenjährige Krieg seine Schatten ausgebreitet, auch wenn seine Hauptkriegsschauplätze in Böhmen lagen. Aus dem Giebelstück des Hochaltars schaut Gottvater ein wenig kritisch, beinahe bärbeißig auf uns herab. Auf dem Altarbild von Sebastian Troger aus dem Jahr 1761 genießen die Heiligen Sixtus und Laurentius den himmlischen Frieden, auch wenn ihr Gesichtsausdruck dem nicht ganz entspricht. Papst Sixtus ist mit seinen Insignien, Tiara und Stab, der hl. Laurentius mit seinem eisernen Rost dargestellt. Er erlitt auf einem glühenden Rost 258 n. Chr. den Märtyrertod. Er war Diakon von Papst Sixtus II., der drei Tage vor ihm enthauptet worden war.

Eine Schrift in einer Kartusche über dem Altarbild benennt die Kirchenpatrone:

DIVIS MARTYRIBVSDen heiligen Blutzeugen
XISTO AC LAVRENTIOXystus und Laurentius
PAGI ISTIVS AVXILIATORIBVSden Helfern dieses Dorfes
(Die hervorgehobenen Buchstaben ergeben, als römische Ziffern gedeutet und addiert, das Jahr 1761, in dem mit der Einsetzung des Altarbildes die Innengestaltung der Kirche abgeschlossen war.)

1845 hat Balthasar Fröhl aus Feilnbach das Bild mit weniger großem Geschick überarbeitet und restauriert (Signatur links unten). Die beiden Seitenfiguren auf den beiden Türbögen neben dem Altar, der hl. Korbinian mit dem Bären links, der hl. Stephanus rechts, sind volksnahe Arbeiten eines unbekannten Bildhauers.

Auch an den Seitenaltären sind als Figuren ältere Bestandteile übernommen:

Der gegeißelte Heiland links, der mit Ketten an eine Säule befestigt ist – Werk von Joseph Götsch um 1730 – sowie die etwa zeitgleiche Schmerzensmutter am rechten Seitenaltar mit ihrer reich mit Goldlahn, farbigen Steinen und Perlen gearbeitete Bügelkrone.

Ein Kunstwerk mit besonderer Ausstrahlung ist die Kanzel mit der hervorragenden Stuckarbeit von Johann Martin Pichler, der eine feine zurückhaltende Dekoration formte. Der Schalldeckel trägt einen Aufbau, der von vier geschweiften Bögen mit aufgesetzten Blumengebinden gekrönt ist, die sich oberhalb vereinen. Ein Putto zeigt auf die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten.

Die Betrachtung des Deckenstucks in den drei Jochen beschert freudige, kleine Überraschungen. Der Künstler hat Rauten, Rocaillemuscheln und lebhafte Gebilde für seine Formen gewählt. Die Stuckierung der Gewölbebereiche weist eine reichhaltige und virtuose Darstellung auf. In Sinnbildern wird in volksnaher und anschaulicher Weise auf die Ausübung christlicher Tugenden und den dafür zu erwartenden Himmelslohn verwiesen.  In den spitz zulaufenden Gewölbezwickeln befinden sich sechzehn ornamentierte Stuckreliefs mit Sinnbildern und darunter stehenden Sinnsprüchen für das Leben als Christ, gewissermaßen kleine Aufstiegshilfen für den Weg zu Gott. Es sind Predigten in Kurzform. „Gerechtigkeit bringt Himmelsfreud!“ lautet z. B. eine.

Auch wenn die Kirche in Wiechs nur stuckiert ist und in den Kuppelfeldern nicht     ausgemalt ist, fehlen dank der reichen Stuckaturen und szenische-emblematische Reliefs Malereien wirklich nicht. In für Wessobrunner Stuckaturen verbürgte Farbigkeit aus rosa, gelb, malachitgrün und blaugrün, aus geschweiften Stuckrahmenfeldern sind figürliche Motive wie Personifikationen der Sonne, Cherubin in Wolken, Schmuckmotive  aus Gitterwerk, Rocaillen und Kartuschen einbeschrieben. In den Gewölbefeldern und Fenstereinfassungen bildet sich damit ein Reigen ornamentaler Erzählfreude .

Die Signatur Pichlers „IMB“ (Iohann Martin Bichler) zusammen mit der Jahreszahl 1758 und den Stuckateurwerkzeugen Spitzkelle und Löffelspachtel findet sich in einer Rocaillekartusche an der unteren Hohlkehle der Emporenbrüstung.

Am Gewölbebogen vor dem Altarraum ergeben die farbigen Buchstaben des Chronogramms ebenfalls die Zahl 1758.

HOC IN LOCOAn diesem Ort
DEO NOVASINTmöge alles neu sein
OMNIAfür Gott

Beachtenswert ist auch ein Barockkreuz an der Nordwand; auch die 14 Kreuzwegstationen aus der Mitte des 18 Jahrhunderts mit der alten Schrift sind der Aufmerksamkeit wert.

Die Wiechser Kirche wurde in der Zeit zwischen 2009 und 2017 einer gründlichen Renovierung unterzogen. Nun präsentiert sie sich wieder im alten Glanz ihrer sehenswerten Stuckaturen als „die kleine Schwester der Wiechs“.

Renovierungszeiträume:

  • Maßnahmenvorbereitung 2009-2010
  • Bauliche Instandsetzung 2012 (Instandsetzung des Dachwerkes)
  • Restaurierung der Raumschale 2015-2017
  • Restaurierung der Künstlerischen Ausstattung 2014-2017
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