von Rupert Lienert
Die Kirche steht auf einem Ausläufer der vom Sulzberg und Farrenpoint ausgehenden Hänge neben dem rauschenden Litzldorfer Bach und blickt in den gewaltigen Kessel des Aiblinger Moores hinaus. Hier führte eine alte Römer- und Salzstraße vom Inn kommend vorüber.
Für den Standort der schönen Dorfkirche konnte kein günstigerer Platz gefunden werden; gleichgültig ob hier schon früher ein Gotteshaus gestanden hat, was nicht unwahrscheinlich ist, wie alte Chroniken aus dem Jahre 849 von einem Priester Erchampald berichten, sich aber nicht mehr schlüssig feststellen lässt.
Obgleich sich der jahrelange inständig gehegte Wunsch der Litzldorfer nach einer eigenen Pfarrei erst mit deren Errichtung im Jahre 1891 erfüllte, erhielt bereits 1708 der erst 25 jährige Maurermeister Abraham Millauer den Zuschlag für den Bau der St. Michaelskirche in Litzldorf, seinem Erstlingswerk. Ihn hatte der Auer Benefiziat Michael Rechmann in Auftrag gegeben. Sicher hat Millauer, ein Sohn Elbachs, der erst kurz vorher eine Tochter seines Meisters Hans Mayr ehelichte und damit in die „Hausstatt“ einheiratete, seinen ganzen Ehrgeiz an diesem Bau verwandt. Wer hier Einkehr hält und bereit ist, sich bedeutsamen Zusammenhängen zu öffnen, der kann etwas von jenem Auftrag spüren, der von hier aus einem besonders begabten und auserwählten Menschen erteilt wurde: Am Kirchenbau einer neuen Zeit mitzuarbeiten.
Diesen Eindruck vermittelt bereits der schöne Turm der Litzldorfer Kirche. Er zeigt die in diesem Raum und dem Geschmack der damaligen Zeit so beliebte Konstruktion: aus einem viereckigen Grundstock strebt ein achteckiger Aufsatz empor, der für Glocken und Uhr einen überragenden Platz bietet. Die aufgesetzte Kuppel ist besonders schön proportioniert.
Der Kirchenraum hinterlässt einen vorzüglichen Eindruck der Raumwirkung, der durch die Weite des Tonnengewölbes mit kleinen Stichkappen und günstiger Lichtkonstruktion erzielt wird. Die Wände haben eine leichte Gliederung durch Pfeiler und Bogen.
Das Gewölbe weist gute Stuckaturen auf in geometrischer Teilung. Die entstandenen Medaillons sind sehr reichhaltig mit Einzelportraits ausgemalt, deren Ausstrahlung allerdings durch die optische Wirkung der breiten Umrahmung geschmälert wird. Das ursprüngliche Stuckwerk des Presbyteriums wurde bei einer Renovierung entfernt, Reste befinden sich noch hinter dem Hochaltar. Die heutige Sakristei vermutet man als Relikt des Kirchenbaus vor 1708. Vier bemalte Fenster mit den Bildern von St. Josef und St. Johannes lassen ausreichend Licht in den Chorraum fallen. Sie wurden von Franz Zettler, kgl. Hofglasmaler in München gefertigt.
Die Rundbilder des Presbyteriumsgewölbe, im Nazarenerstil auf blauem Grund, entstammen dem Münchner Maler Thomas Guggenberger aus dem Jahre 1878. Sie umgeben das Zentralbild der „Krönung Mariens“ in einer kaum überschaubaren Vielfalt und stellen von innen nach außen die vier Erzengel Raffael, Gabriel, Michael und Uriel und die vier Evangelisten dar. Im Rundbogen sind dargestellt „Jesus im Tempel“ und „Darstellung Jesu“. Es folgen die vier Kirchenlehrer Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Gregorius, die vier Kardinalstugenden Weisheit, Maßhalten, Stärke und Gerechtigkeit sowie die vier herztragenden Engel Herz Jesu, Mariä, Josef und Johannes, sowie vierzehn Engel im dritten Rundbogen mit der Kirchenuhr.
Die Rundbilder des Kirchenschiffs sind etwa 100 Jahre älteren Datums. Sie wurden 1781 von Johann Peheim (oder Beham, Beheim, Böham) gemalt und stellen „Elias in der Wüste“, „Tod des Gerechten“ und „Das Gericht“ dar. Die seitlichen Medaillen zeigen die Heiligen Isidor und Notburga, Sebastian und Donatus, Ignatius und Franz Xaver.
Die rechteckigen Darstellungen zwischen den Rundbildern des Gewölbescheitels, die sich auf die Hauptelfeste des Kirchenjahres Weihnachten, Ostern und Pfingsten beziehen, hat der Münchner Kunstmaler Max Fürst aus München 1896 gemalt, von dem auch das Hauptbild am Donatusaltar stammt.
Die drei einfachen Barockaltäre stammen aus der Zeit des Kirchenbaus. Der Hochaltar mit einem Rokokotabernakel, auf dem das Lamm Gottes und das Buch mit sieben Siegeln ruhen, wird dominiert von einem mächtigen Gemälde eines unbekannten Malers. Es füllt den Raum zwischen den beiden Paaren einfacher Altarsäulen mit korinthischen Kapitellen und stellt den Erzengel Michael, den Patron der Kirche, dar. Das Bild ist weitgehend eine Kopie des „Erzengels Michael“, das der italienischen Barockmaler Guido Reni 1630 geschaffen hat. Als ritterlicher Jüngling mit ausladenden Engelsflügeln ist er gerade dabei, Luzifer mit einer Lanze den Todesstich zu versetzen. Er hat seinen linken Fuß auf dem Kopf des Unholds gesetzt. Mit dem Griff an die Kette des Gebändigten deutet er die siegreiche Überlegenheit des Erzengels an, während im Hintergrund körperlose Engel interessiert den Kampf verfolgen. Der bärtige Gottvater, den 1850 Georg Lagler aus Törwang gemalt hat, sieht aus einem Medaillon im Altarauszug gefällig herunter. An beiden Seiten des Tabernakels sind Vitrinen mit Votivgaben untergebracht.
Die beiden Seitenaltäre sind als Pendant vor dem mit einer Engelsgirlande und der Kirchenuhr geschmückten Chorbogen geschaffen. Die zweisäuligen Seitenaltäre, der Mutter Gottes (rechts) und dem heiligen Donatus (links) geweiht, sind zum Aufbau des Hochaltars nahezu identisch gestaltet.
Das große Bild des Donatusaltars, 1901 von Max Fürst gemalt, zeigt den Heiligen, einem Schutzpatron des Viehs, als Bischof auf einer Wolkenbank sitzend, eine Rinderherde segnend, während über der Litzldorfer Landschaft ein schweres Gewitter niedergeht. Der heilige Bischof Donatus ist ein Nebenpatron der Litzldorfer Pfarrkirche. Seine Verehrung soll schon in die Anfänge der Dorfkirche (9. Jhdt) zurückreichen. Als im Jahre 1750 eine schlimme Viehseuche grassierte, die im Dorf nur noch drei Rinder überleben ließ, gelobte die Gemeinde ein jährliches Bittamt zu Ehren des hl. Donatus zu feiern. Seit dieser Zeit wird daher am 1. März jeden Jahres in der Pfarrkirche ein Gelöbnisamt abgehalten. Im Auszug darüber hat der unbekannte Maler des Bildes vom Hochalter den hl. Martin dargestellt. In einem Medaillon auf Höhe des Altartisches ist, vergoldet umrahmt, das Portrait des hl. Aloysius angebracht. Gemalt hat es, wie auch das Bild des hl. Antonius am Marienaltar, Georg Lagler vom Samerberg (Törwang) im Jahre 1850.
Das große Bild des Marienaltars des Münchener Marienmalers Basilio Coletti aus dem Jahre 1905 zeigt die Muttergottes mit dem Jesuskind, begleitet von zwei Engeln. Sie werden von einer Gruppe Kindern umringt, die ihnen ihr brennendes Herz entgegenhalten. Das Bild wurde von einem Sohn Litzldorfs, Martin Kloo, Pfarrer in Rugell, Fürstentum Liechtenstein gestiftet. Auch dieses Bild ist eine Kopie, dessen Original sich in der Kapelle der Ferdinand-Maria-Anstalt in München-Neuhausen befindet. Im Auszug darüber ist der hl. Georg dargestellt, während sich in Höhe der Mensa in einer vergoldeten Kartusche das Portrait des Hl. Antonius befindet.
Das Marienbild wird in unregelmäßigem Wechsel gegen das Sieben-Zufluchten-Bild aus dem Jahre 1725 ausgetauscht. Der unbekannte Maler dieses Bildes hat die sieben Zufluchten auf einem einzigen Bild dargestellt. Es erinnert an die von Krieg, Hunger und Pest heimgesuchten Menschen aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, die dort Hilfe in ihrer Not im Gebet erhofften. Dargestellt sind: Die hl. Dreifaltigkeit, der Gekreuzigte, das heilige Sakrament, die Muttergottes, die vier Erzengel, die armen Seelen und die vierzehn Nothelfer.
Die schlichte Kanzel von 1780 trägt im Schalldeckel eine Darstellung der Heilig-Geist-Taube, an der Rückwand sind zwei Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten im Strahlenkranz angebracht. Der Schalldeckel wird gekrönt von drei Engeln, welche Kreuz, Anker und brennendes Herz, die Symbole der drei göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe in ihren Händen halten. Die Putti unten am Kanzelkorb zeigen in ihrem Mienenspiel das Hinhören auf die Worte der Verkündigung und die Aufnahme der Botschaft in ihren Herzen. Am Aufgang zur Kanzel ist eine wertvolle Bruderschaftsstange, der am 25.2.1729 begründeten Michaels-Bruderschaft, befestigt, mit einem excellent geschnitzten Kopf und einem quadratischen Fenster, das Reliquien des hl. Donatus enthalten soll, wie die Inschrift des Michael Sebacher aus dem Jahre 1839 auf der Rückseite besagt. Die Bruderschaftsstange wird an Fronleichnam noch mitgetragen.
Die Rückwand der St. Michaelskirche wird von einer Doppelempore eingenommen, die in der Mitte von vier Säulen gestützt wird. An der Balustrade der Männerempore sind die Bilder von Christus und den zwölf Aposteln angebracht, die der Miesbacher Kunstmaler Alois Dirnberger im Jahre 1859 malte. Hoch oben unter dem Deckengewölbe verweist ein beachtliches mehrteiliges Orgelprospekt aus der Zeit um 1845, das einem älteren Orgelwerk von N. Wagner aus Glonn vorgeblendet wurde, auf die langjährige kirchenmusikalische Tradition der Gemeinde. Die Orgel musste wiederholt umgebaut werden, zuletzt, seit 1954 vom Orgelbaumeister Josef Zeilhuber aus Bruckmühl. 2022 wurde die Orgel außer Dienst gestellt und durch ein Digitalinstrument der Firma G. Kieselbach ersetzt, Modell Gloria Concerto, das über drei Manuale, 32-töniges Pedal und 50 Register verfügt.
Sonstige Ausstattung
1894 übergab Josef Antretter, Schollbauer von Oberulpoint und großer Mäzen der Gemeinde Litzldorf, der Kirche eine aus dem 17. Jahrhundert stammende Skulptur, welche die heilige Familie darstellt. Sie wurde renoviert und von Osendorfer in Bad Aibling neu gefasst. Sie ist an der rechten Chorwand befestigt.
Gegenüber der Kanzel ist am ersten Pfeiler ein schönes Barockkruzifix aus dem 18. Jahrhundert angebracht. Unter dem Kreuz steht die Statue der Schmerzhaften Muttergottes (Mater Dolorosa) vor einem vergoldeten Strahlenkranz.
Vom zweiten Pfeiler sehen links und rechts die Statuen des Wasserpatrons, des heiligen Johann von Nepomuk, und des Bistumsheiligen Korbinian aus dem Jahre 1520 herab. Am dritten Pfeiler, auf Höhe der Männerempore schließlich stehen die Skulpturen der heiligen Barbara als Patronin der Sterbenden und des heiligen Sebastian als Patron der Kranken.
An der linken Wandseite, unter den Fenstern sind das Bild des heiligen Konrad von Parzham in einem prächtigen ovalen Barockrahmen mit erhabenem eingerolltem Akanthusblättern und dahinter gelegtem Eichenlaub. Eine geschnitzte Muttergottes mit dem Jesuskind segnet die Gottesdienstbesucher.
Bemerkenswert sind auch die schönen geschnitzten Wangen der Kirchenstühle mit den furchterregenden Drachen. Sie sollen aus der alten Kirche vor 1708 stammen. Der Weg auf den schönen Sollnhofer Platten, mit welchen die ganze Kirche 1983 gepflastert wurde, führt hinaus in den Vorraum der Kirche. Hier im früheren Beinhaus wurde 1938 eine Gedenkstätte für die Gefallenen des ersten Weltkriegs errichtet. Die dort hinter einem gotischen Gitter angebrachten Skulpturen des Gegeißelten Heilands und der beiden Engel standen früher auf einem Seitenaltar der Kirche.
Einmal im Jahr wird dem Besucher am Karfreitag bis Karsamstag nachts in der verdunkelten Kirche das Heilige Grab mit den vielen bunten Öllampen zur Verehrung aufgestellt. Es ist ein Geschenk des kgl. Hoftheatermalers Alois Gottner aus dem Jahre 1893.
Einst gehörte die Litzldorfer St. Michaelskirche als Filialkirche gemeinsam mit der Nebenkirche Kleinholzhausen und den Filialkirchen Lippertskirchen und Wiechs zur Mutterkirche Au bei Bad Aibling. Die Seelsorge wurde von einem Benefiziaten aus Au im Wechsel mit der Filialkirche Maria Morgenstern wahrgenommen. Nach langem Bemühen um Autonomie konnten die Litzldorfer 1891 endlich die Erhebung zur Pfarrei St.Michael begehen und mit der Installation des ersten Pfarrers Corbinian Willerer im darauf folgenden Jahre in die Selbständigkeit treten. Nach achtzig Jahren, am 1. August 1973, hat die Pfarrei Litzldorf ihre Selbständigkeit wieder weitgehend eingebüßt. Seither wird sie von der Pfarrei Herz-Jesu, Bad Feilnbach mitverwaltet. Doch die ehemalige Pfarrei lebt im Rahmen ihrer eigenen Kirchenverwaltung und des eigenen Pfarrgemeinderats weiter.
Die Litzldorfer Pfarrkirche hat viele Renovierungen erfahren, durch die sie in ihrem Aussehen und in ihrer Schönheit erhalten geblieben ist. Die letzte umfassende Restaurierung hat auf Initiative des Bad Feilnbacher Pfarrers Ludwig Penger 1987 begonnen und mit der Außenrenovierung unter Pfarrer Ernst Kögler 2020 ihren Abschluss erfahren. Diese Maßnahme stellt eine gewaltige Leistung dar, die nur durch sorgfältige Geduld und Beharrlichkeit möglich war. Und die Pfarrgemeinde Litzldorf aber hat es in all den Jahren weder an Zuversicht noch an Freigiebigkeit fehlen lassen.